Altlasten

Altlasten

„Welches Gedankenkarussell meinst du genau?“, ist seine Begrüßung am anderen Ende des Telefons. Und: „Was ist los?“

„Ich habe ihn.“ Meine Stimme hört sich im Moment nicht nach mir an. Dieses Phänomen kenne ich bereits aus einer ganz anderen Situation.
„Du hast wen genau?“ Seine Stimme nimmt einen leicht scharfen Ton an. „Doch nicht etwa ihn?!“
„Doch, genau den.“ Ich höre mich noch immer weit weg von mir selbst an. Wie eine Tonbandaufnahme aus einem alten Röhrenfernseher.
„Und was willst du nun tun?“
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Weil ich nicht weiß, wie es weiter geht. Ich weiß nur, dass es so eben nicht weiter geht wie es bisher lief.
Meine regulierende Instanz am Telefon wartet auf meine Antwort.
Ich denke, ich werde ihn geknebelt lassen und Stück für Stück zerlegen. Die unwichtigen Teile zuerst. Natürlich mit einer Jahresdosis Schmerzmitteln, die ihn gerade so bei Bewusstsein lassen, dass er alles wahrnehmen kann. Und irgendwas, das seinen Kreislauf auch lange genug stabil hält und etwas, das ihn nicht verbluten lässt.
Nur komme ich leider nicht an so viele Medikamente und wüßte auch gar nicht, wie ich die wirklich passabel einsetzen sollte. Also fällt das aus.
In irgendeinem Film sah ich, wie ein Mörder seinem Opfer das Rohr eines Staubsaugers an den Mund klebte und die Nase irgendwie verschloss. Beim Hinausgehen schaltete der Mörder den Staubsauger ein.
Ziemlich grausam, aber eine nette Idee. Vermutlich wäre das aber eine zu schnelle Art der Erlösung.
Ich möchte, dass er leidet. Gerne etwas länger. Nicht nur ein paar Minuten. Ich nehme zumindest an, dass die Staubsaugeridee nur einige Minuten dauern wird.
Eine weitere Möglichkeit wäre, meine dämonischen Kräfte einzusetzen und ihm das nichtsnutzige Herz aus dem erbärmlichen Körper zu reißen. Zu genießen, wie er diesen blutigen, noch kurz schlagenden Klumpen ansieht, bevor er leblos in sich zusammensackt. Geht aber auch zu schnell und ich verfüge über keine dämonischen Superkräfte.
Oder ich mache mir die Finger gar nicht schmutzig und lasse das von Profis erledigen. Professionelle, saubere Abfallbeseitigung durch Menschen mit weitaus mehr Erfahrung in diesen Dingen und noch weniger Skrupel, sofern die richtigen Motive auf den Geldscheinen sind.
Ein ausgefeilter Plan muss her, in dem er durch fein gezogene Fäden sich in seinem eigenen Kopfkino verstrickt und durch seine darauf folgenden Aktionen letzten Endes als der gesehen wird, der er auch tatsächlich ist und er von irgendwelchen Autoritäten zur Verantwortung gezogen wird. Machbar, doch das wiederum dauert mir zu lange.

„Mal wieder das gleiche wie schon die letzten zig Jahre,“ sage ich. „Bis zu deinem Rückruf ließ ich das Gedankenkarussell mal in eine ganz andere Richtung laufen und ich fühle mich jetzt gerade besser.“
„Bist du sicher?“
„Ja. Danke, dass du dich gemeldet hast.“ Dann lege ich auf.


Ich zünde mir noch eine Zigarette an und betrachte das gut verpackte Bündel zu meinen Füßen. Ein Mmmhhmmmmm drängt sich durch den Knebel.
„Es geht mir echt auf den Sack, dass deine dummen Aktionen mich immer wieder zur Kippe treiben. Du stresst mich noch immer, leider.“
Meine Stimme ist nun ganz sanft geworden.
„Ja, ich weiß, das muss ich ändern. Neue Gewohnheiten soll man am besten gleich etablieren, nicht wahr“, sage ich und schaue auf die glimmende Zigarette in meinen Fingern. Dann drücke ich sie in seinem linken Auge aus.

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