Anmaßung

Anmaßung

Anfang 2020, assistierter Suizid ist nicht mehr strafbar (und in einem Nebensatz stand: „Die Selbsttötung ist nicht strafbar.“ Sowas wird auch nur in Deutschland für die ganz Blöden ausformuliert…).
Wie sagt die aktuelle Jugend: Ich hab das Urteil gefeiert!
Und wie zu erwarten war, gründete sich flott eine Gegenbewegung: Suizidprävention.
Ja, doch, ich sollte mehr zur Gegenbewegung lesen, ich habe es nur grob überflogen. Im Grunde geht es darum, den Menschen ihren Wunsch nach Selbsttötung auszutherapieren und den Zugang zu den eh schon kaum auffindbaren Suizidbegleitungen weiter zu erschweren.
Das Leben ist toll, die Sonne scheint, Menschen lachen, Kinder spielen, zum Kotzen schön.

Das Grundgesetz ist leider nicht eindeutig genug.
Artikel eins: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Das sollte man erweitern.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, im Leben und im Sterben.

Artikel zwei: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit usw.

Wenn jemand einfach nur keinen Bock auf Leben hat und sein Leben beenden möchte, dann ist genau das die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, die weder die Rechte anderer verletzt noch gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art.2GG).
Dann kommt so ein guter Bessermensch daher und meint, seine eigene Überzeugung diesem angeblich hochdepressiven, armen Wurm aufdrücken zu müssen. War das nicht schon in missionarischen Ausflügen in fremde Länder so? Die Geschichte wiederholt und wiederholt sich.

Hier bekommt so ein Mensch jedoch Krankheitswert. Der ist depressiv, heißt es dann, der braucht ne Therapie und ich als sehr guter Nochbessermensch fühle mich in meiner missionarischen Ausübung als ganz besonderer Menschenfreund mit Potential zur Heiligsprechung und finde mich toll und wehe, die anderen finden mich nicht auch toll.
Das ist so anmaßend, dass es zumindest mir weh tut.

Ja, es gibt ganz nette Dinge. Und auch ganz nette Menschen. Doch wenn jemand der Meinung ist, dass das einfach nix für ihn ist, warum ihn dann un-be-dingt davon abhalten, sein Leben selbstbestimmt zu beenden. Mal davon abgesehen, dass Selbsttöter dank mangelnder Angebote unbeteiligte Menschen mitreißen, weil sie sich von einer Brücke oder vor einen Zug stürzen.

Die Krux ist ja: Wir haben es uns nicht ausgesucht, in dieses Leben geworfen zu werden. Welche wirklich sehr gute und nachvollziehbare, vielleicht sogar noch logische Argumente gibt es, seinem Leben kein Ende zu setzen, wenn man einfach ganz undepressiv keinen Bock auf ein Leben hat?
Dazu muss man nicht schwer krank oder in schlimmsten Umständen aufgewachsen sein. Es müssen auch keine schrecklichen Traumata ursächlich für „Lebensmüdigkeit“ sein.
Man kann ein „angenehmes“ Leben führen und trotzdem keine Lust darauf haben, ganz ohne depressive Gedanken.

Dass das Leben „wertvoll“ sei, zählt nicht.
Warum soll das Leben denn wertvoll oder wert-voll oder schön sein?
Was beinhalten diese Beschreibungen?
Wer hat das definiert und festgelegt?
Warum soll das für alle Menschen gelten?
Warum soll das Leben erstrebenswert sein?
Und warum reicht es nicht, dass man einfach nur nicht will?

Können diese ganz und gar undepressiven Wunschselbsttöter nicht einfach nur (Achtung, Versuch von Spiritualität!) Reisende sein, die vom Dasein zum Dortsein hoppeln und ihren Weg nach Wohinauchimmer fortsetzen möchten, nachdem sie die Erde mit ihrer aktuellen Gesellschaft kennengelernt haben?
Das würde vermutlich auch erklären, warum sich außerirdisches Leben nicht an unseren Planeten heran traut bzw. sich lieber nicht zu erkennen gibt. Danke, lass mal, diese Gestalten sind ja völlig irre, wir fliegen weiter.

Und dann gibt es noch andere Faktoren, die in meinem Kopf umher summen.
Erzählen nicht irgendwelche Supergutmenschen, dass wir unseren Planeten ausbeuten, die Ressourcen keine x Jahre mehr reichen, und das Klima ist ja eh im Arsch, und was kosten all diese Gesundheitsmaßnahmen und wir haben mehr Bezieher als Einzahler von irgendwelchen finanziellen Leistungen, usw. usf.
Genau.
Manchmal gibt es nur Probleme, weil man sich zu heiligmenschlich für Lösungen hält.

Vielleicht haben die Menschen, die gegen Suizid sind, ein Problem mit der Endlichkeit des Lebens und dem Loslassen und nicht die, die gehen wollen.


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